So langsam geht mein Studium zu ende und ich muss mir überlegen, was ich mit den restlichen Jahren meines Lebens anfangen will. Neben einigen vernünftigen kommen einem natürlich auch viele absurde Ideen in den Kopf.
Als Science Fiction und Soziologie Fan fällt mir nicht nur bei Star Trek sondern auch bei allen anderen mir bekannten Science-Fiction-Formaten auf, dass Exo-Soziologen dort nicht vorkommen. (In einem Star Trek Roman wird einmal erwähnt, dass Deanna Troi wohl auch Soziologie studiert hat. Aber das kann höchstens ein Semester in ihrem ersten Jahr gewesen sein. OK, uns Soziologen wirft man genauso wie ihr hin und wieder vor nur das offensichtliche offen auszusprechen, aber so ganz ist das ja wohl nicht zu vergleichen :-)) Auch wenn es sicher iinteressant wäre herauszufinden, woran das liegt (wird die Soziologie in der gesellschaftlichen Perzeption immer noch unterschätzt?; impliziert der Begriff "Science Fiction" vielleicht schon, dass nicht-technische Wissenschaften systematisch vernachlässigt werden?), soll dies nicht Thema dieses Eintrags werden.
So kommt es nun, dass ich seit Jahren hin und wieder nach Sci-Fi Abenden im Bett liege und davon träume einmal als Exo-Soziologe mit Colonel Carter und Co. durch das Stargate zu gehen und fremde Kulturen zu untersuchen. Wer hätte gedacht, dass es tatsächlich Soziologen und Kulturwissenschaftler gibt, die sich damit beschäftigen.
Geprägt hat diesen Begriff 1983 der amerikanische Soziologe Jan H. Mejer, der an der Universität Hawaii lehrte. In einem kurzen Aufsatz wollte er diesen Wissenschaftszweig der Soziologie gründen, der folgende drei Aufgaben beschäftigen sollte:
- mit der kulturellen Konstruktion von außerirdischen Zivilisationen,
- mit den sozialen Folgen der Konfrontation der Menschheit mit außerirdischen Zivilisationen und
- der sozialen Organisation solcher Zivilisationen (wenn sie denn einmal entdeckt sein sollten)
Schon diese Annahme müsste die ersten Exo-Soziologen auf den Plan rufen, denn dies zeugt von einem sehr anthropozentrischen Weltbild. Folgende Annahmen liegen dem Zugrunde:
Die Außerirdischen müssten eine menschenähnliche Reisetechnologie besitzen, die Zeitlichkeit der Reisenden und subjektorientierte Reiseplanung müsste sehr menschenähnlich sein und schließlich müsste "biologische Qualität" potentieller Besucher der unseren entsprechen.
"Dies alles wird in den Debatten über den Kontakt zu außerirdischen Zivilisationen weitgehend fraglos unterstellt. Dabei sind solche Vorannahmen mangels jedes Wissens über die Formen außerirdischen Lebens tatsächlich alles andere als selbstverständlich. Aliens könnten die hundertfache Lebenserwartung von Menschen haben, sie könnten Generationenraumschiffe benutzen, sie könnten hochentwickelte Roboter schicken, sie könnten völlig andere
Reisetechnologien verwenden usw. usf. Wir wissen es einfach nicht." (Schetsche 2003)
Eine erste Themenbestimmung für die Exo-Soziologie beginnt also schon weit vor einem möglichen ersten Kontakt. Spannend wäre also die wissenssoziologische Erforschung des Phänomens, dass der erste Kontakt als persönlicher Kontakt vollständig ausgeschlossen wird. Eine Erklärung dafür liefert Schetsche gleich mit, denn er behauptet, dass dadurch einfach alle unbekannten Schreckensszenarien, wie sie Beispielswiese in Independence Day dargestellt werden von, vor herein ausgeblendet werden. Klar, denn ansonsten müssten die SETI-Forscher auch ihre eigene Arbeit wegen der potentiellen Gefährdung der Menschheit in Frage stellen.
Weiterhin wäre natürlich für die Exo-Soziologie spannend einige Grundannahmen von verschiedenen Vergesellschaftungstheorien zu prüfen, denn bis jetzt haben wir ja mit N=1 eine recht spärliche Datenbasis. Dazu bräuchten wir aber einen Erstkontakt. Aber es wäre doch nicht schlecht darauf vorbereitet zu sein.
Am Spannendsten an Schetsches Essay (Schetsche 2008) finde ich aber die Erstellung der Themenfelder und Leitfragen einer möglichen Exo-Soziologie:
1.) Sozialwissenschaftliche SETI-Forschung: Wie sind die Vorannahmen der heutigen SETI-Forschung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive einzuschätzen und welchen Beitrag können die Kulturwissenschaften generell zur Weiterentwicklung dieses Forschungsprogramms leisten?
2.) Interspezies-Futurologie: Welches wären die prognostizierbaren Folgen (die kulturellen und religiösen, die politischen und ökonomischen) eines Zusammentreffens der Menschheit mit einer außerirdischen Zivilisation?
3.) Konkurrierende Realitätsebenen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen wissenschaftlichem und fiktionalem Wissen/Denken über die Stellung des Menschen im Kosmos und insbesondere über das Verhältnis zwischen Irdischem und Außerirdischem?
4.) Fremdheits- und Xenophobie-Forschung: Wie wird Fremdheit heute kulturell konstruiert und welches sind die sozialen und ethischen Folgen dieser Konstruktion – auf der Erde wie im Weltraum?
5.) Extra-humane Ethik: Über welche Eigenschaften muss ein Wesen verfügen bzw. wie "fremdartig" darf es sein, damit wir in ihm einen gleichberechtigten Interaktionspartner erkennen und ihm prinzipiell wie im Alltag personale Rechte zubilligen? (vgl.: Schetsche 2008)
Irgendwie wäre das was für mich. Das Feld ist also erstellt, fehlt bloß noch eine Stelle und die entsprechenden Forschungsgelder für mich. Über eure Meinungen als Kommentare zu diesem Thema würde ich mich freuen. Ist das nur Spinnerei von Science-Fiktion Fans oder ließe sich da tatsächliche ein Forschungsfeld eröffnen?
Schließlich möchte ich alle Interessierten noch auf ein Buch aufmerksam machen. Der von mir zitierte Michael Schetsche hat vor kurzem mit seinem Kollegen Martin Engelbrecht ein Buch zu diesem Thema herausgebracht. Von Menschen und Außerirdischen heißt es und ist hier erhältlich. (Leider kann ich mir das zur Zeit noch nicht leisten, aber vielleicht leiht es mir mal einer...)
Quellen:
Fotos: ricado.martins http://flickr.com/photos/redneck/
Schetsche, Martin 2003: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15651/1.html
Schetsche, Martin 2008: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28489/1.html
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